gepostet von PressTheButton am 30.Oktober 2020 in der kategorie Inner Growth

GEA. Die Waldviertler Schuhwerkstatt.Das sehr entspannte gallische Dorf.

In der letzten Oktoberwoche 2020 besuchte ich ein Seminar in der GEA Akademie in Schrems im schönen Waldviertel. Obwohl das Seminar „Das Vermögenspool“ von Markus Distelberger höchst interessant war, möchte ich hier nicht darüber berichten, sondern über all das, was ich mir dort sonst noch mitnehmen konnte.

Gleich beim Ankommen wurde schlagartig die tiefenentspannte Stimmung spürbar. Trotz Corona-Pandemie war alles unkompliziert und von viel menschlicher Wärme begleitet. Keine Kontrolle, keine Hausordnung, keine schiefen Blicke, keinerlei Misstrauen, sondern sofort ganz viel Vertrauen. Als die Chefin der Akademie uns am Abend begrüßte, stellte sich heraus, dass es die selbe Person war, die noch ein paar Minuten zuvor am Herd stand und ein herrliches Semmelknödel-Gröstl zubereitete. Sie berichtete weniger über die GEA Akademie, sie WAR viel mehr die Akademie und es war schön zu beobachten, wie verbunden sie mit dem größeren Ganzen war.

Ich hab mich sofort unglaublich wohl gefühlt und konnte erst einmal nicht festmachen, was wohl die Ursache für mein Wohlbefinden sein könnte…
Bis mir aufgefallen ist, dass hier – verglichen mit anderen Seminarlocations – etwas anders war, dass hier genau genommen etwas fehlte.  Es gab keine Hinweisschilder wie „Kaffee außerhalb der Kantine verboten!“, „Diese Tür nicht benutzen!“, „Am Abreisetag bis spätestens … “ etc. Es gab einfach keine Regeln, die man einhalten sollte!
Das Faszinierende: Es hat trotzdem (oder vielleicht gerade deswegen) alles wunderbar funktioniert. Jedermann und jede Frau hat vollkommen selbstverständlich so agiert, dass ein gutes Miteinander möglich war.

Als ich Kaffee und Apfel in den Seminarraum mitnahm, streifte mich – das enge Korsett anderer Locations gewohnt – der Gedanke, vielleicht etwas Verbotenes zu tun. Unsicher positionierte ich die Tasse lieber so, dass sie niemand entdeckte und den Apfel ließ ich in meiner Tasche verschwinden … Doch dann stellte sich heraus, dass es einfach niemanden interessierte, weil jeder die Freiheit dazu hatte und es dafür einfach keine Regel gab, bzw. hatte ich sogar das Gefühl, dass hier selbst der Gedanke an eine Regel schon als völlig absurd angesehen würde.

Natürlich hab ich ganz selbstverständlich die leere Tasse wieder in die Kantine gebracht und als einem meiner Seminarkollegen die volle Tasse am Boden umkippte, hat er sich ganz selbstverständlich selbst einen „Putzfetzen“ (Lappen) geholt, den Fleck sauber gemacht und alles dorthin zurückgebracht, wo es hingehört.

Ich konnte spüren, wie das gelebte „ohne-Regeln-sein“ wirkt, welche Freiheit es gibt, wie verbindend es wirkt und wie sehr es einen in die Verantwortung katapultiert.

Am zweiten Seminartag nahm ich bei der Führung durch die Schuhproduktion teil. Auch der dafür zuständige Mitarbeiter schien, genauso wie die Chefin der Akademie am Vorabend, total mit der Waldviertler Schuhwerkstatt verwachsen zu sein. Er berichtete von dem Unternehmen, als wäre es seines und hielt fest, dass sie dort eine hierarchiefreie Organisationskultur leben würden… Das ließ mich hellhörig werden, denn Organisationsdesign ist ein Lieblingsthema von mir und die Hauptaufgabe meiner Rolle bei PRESS THE BUTTON.

Wie es der Zufall so will, hatte ich am nächsten Tag dann eine Begegnung mit Heini Staudinger, dem Gründer und revolutionären Kopf des Unternehmens. Er stand an der Kaffeemaschine, wo ich mich mit 3 weiteren Teilnehmern des Seminars anstellte; Heini war vor uns, ließ es sich aber nicht nehmen, vor seinem Kaffee erst für uns drei die Kaffeebestellungen in den Automaten zu tippen.

Kurz Zeit später traf ich ihn in Gedanken versunken an einem Fenster stehen und fragte, ob ich ihm eine Frage stellen dürfe… ich fragte, wie er das Thema Entscheidungen sähe und welche Entscheidungskultur sie bei GEA leben würden.
Was ich dann hörte, ließ mich aufhorchen, weil es nicht wirklich zu „hierarchiefrei“ passte. Heini hält wenig von demokratischen Entscheidungsstrukturen, die aus seiner Sicht nur Langeweile zur Folge hätten. Er erzählte von den Widerständen, die sein Slogan „Wir sind die besten im Bett“ erzeugte, er ihn trotzdem durchsetzte und dass er bei den Kunden gut ankam. Außerdem schilderte er den Versuch, die Auswahl der Schuhe, welche in das Prospekt kommen sollten, via Abstimmung zu machen; „…Ergebnis war, dass durch die Abstimmung nur die langweiligsten Schuhe reingekommen wären.“

Er ließ es sich auch nicht nehmen, zu dem Thema einen Teil eines rätselhaften Rilke-Gedichts mit dem Titel „Wolle die Wandlung“ zu rezitieren:

„… was sich ins Bleiben verschließt, schon ist´s das Erstarrte; 
Wähnt es sich sicherer im Schutz des unscheinbaren Grau´s?
Warte, ein Härtestes warnt aus der Ferne das Harte.
Wehe -: abwesnder Hammer holt aus! „

Später berichtete er vor der Gruppe über seinen Zugang zum Thema Finanzen (darüber handelte das Seminar). Er erzählte, dass er vor vielen Jahren schon alle persönlichen Konten, Bausparverträge etc. bei Banken gekündigt habe und nun – in diesem Augenblick stand er auf und zog ein durchsichtiges Plastiksackerl aus der Hose, das mit einem Bündel Geldscheinen gefüllt war – wäre das seine Bank.
Außerdem hätte er die Erkenntnis gehabt, dass so eine Plastiktüte im Zusammenhang mit Geld sehr praktisch sei, denn sie würde volle Transparenz gewährleisten… Der Heini ist einfach ein richtig guter Geschichtenerzähler, man kann einfach nicht genug davon bekommen, in die wilden Wendungen seines Lebens einzutauchen.

Das Seminar ging langsam zu Ende und mit viel neuem Wissen und guten Begegnungen ging ich dann zum Essen, wo ich den Mitarbeiter, der die Führung machte, wieder traf. Ich sprach ihn an und fragte ihn, wie er das Thema Entscheidungen und Hierarchie sehen würde.
Dabei kam etwas Erstaunliches raus: Auf die Frage, was für ihn Hierarchiefreiheit bedeuten würde, sagte er, dass er jetzt sofort dort hin gehen könnte – eine Geste mit dem Kopf deutete in die Richtung des Tisches, an dem seine Chefs saßen – ihnen sagen könne, dass sie einen Vogel hätten und dies keine Konsequenzen hätte.
Gleichzeitig wäre aber auch ganz klar, wer das letzte Wort habe: das sind nämlich die gleichen Chefs, von denen man schon wisse, wozu sie tendieren und daher könne man manche Entscheidungen schon vorhersehen. Auch ist es häufig so, dass sie ganz bewusst Entscheigunskompetenz an Mitarbeiter abgeben und sie damit in ihrem Talent und Können wahrnehmen und respektvoll an das Unternehmen binden.

Somit wurde mir klar, was er unter „Hierarchiefreiheit“ verstand; es gibt keine Hierarchie in der Kommunikation, sehr wohl aber eine in den Entscheidungen.
Die Waldviertler Schuhwerkstatt ist in der Lage, die wichtige Unterscheidung zwischen komplex (Kommunikation) und kompliziert (Entscheidungskompetenzen) zu treffen. GEA scheint ein weiteres Beispiel eines Höchstleistungsunternehmens zu sein, Hut ab vor all den Leistungen!

Ich hab meine Zeit in der Waldviertler Schuhwerkstatt sehr genossen, mich von der Freiheit und dem revolutionären Geist dort inspirieren lassen und sowohl innerhalb, als auch außerhalb des Seminars viel gelernt. DANKE, GEA!

www.gea-waldviertler.at
www.gea-waldviertler/akademie
www.brennstoff.com

…………………………………………

Gedanken & Text | m-art-in
Ich freue mich auf Feedback: martin@pressthebutton.at